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Erstellt von Brigitte Sesselmann | | Kohlenhof

Kommentar: Chancen für den Kohlenhof?

Die Spatzen pfeifen es spätestens seit Pandemie-Zeiten von den Dächern: Wir brauchen keine Büroflächen mehr! Der Immobilienmarkt für Büroflächen ist längst zusammengebrochen, zu lesen selbst in der Wochenendausgabe der NN am 15. Juli 2023: „Das Büro schrumpft – mit Folgen auch für die Städte“.

Aber in Nürnberg braucht’s bekanntlich etwas länger, bis Stadtpolitik und Verwaltung allgemeine Trends wahrnehmen. So hat man schon vor Jahrzehnten ignoriert, dass die Trendwende zur durchmischten "Stadt der kurzen Wege" stattfindet. Ein Leitziel allgemeiner Stadtentwicklungsplanung seit den 1990er Jahren. Eine Stadtstruktur, die helfen würde KFZ-Verkehr und parkende Autos auf den Straßen zu vermindern und den BürgerInnen enorme Lebenszeit schenkt, indem man alltägliche Wege mit dem Rad oder zu Fuß zurücklegen kann.

Statt dessen verwendet man Schlagworte dieser Planungs-Leitbilder für Argumente, deren Resultat eine am Wochenende leblose Büro-Geisterstadt mitten in der Stadt ist, und freut sich dann, dass Pendler kurze Wege von der S-Bahn ins Büro haben. Die Frage sei nebenbei erlaubt, wozu es dann noch ein überdimensioniertes Parkhaus braucht, wo das grau glänzende Blech zugfahrenden Bahnkunden die Augen zum flimmern bringt. Begrünung ist nur auf den Computeranimationen für die Werbung drin und ansonsten wegen der Pflege zu teuer?

Zurück zum eigentlichen Thema. In alle Büros, die am Kohlenhof bisher entstanden waren, sind Firmen eingezogen, die anderswo in Nürnberg meist Gebäude freigeräumt haben. Klar, damit ist die Chance entstanden ein ca. 25 Jahre altes Bürogebäude am Westring abzureißen, tonnenweise Graue Energie zu vernichten und stattdessen mit hohem Energieeinsatz wieder ein neues, aber jetzt echt nachhaltiges Ökohochhaus entstehen zu lassen. Der Kohlenhof hat dadurch nichts gewonnen.

Es sei hier in Erinnerung gebracht, dass es sich beim Kohlenhof-Gelände um ehemalige Bahngrundstücke handelt, die ursprünglich Staatseigentum, also im gewissen Sinne Eigentum aller Bürger waren. Seit Auflassung des Güterbahnhofs waren mehrere Zwischennutzungen untergebracht. Die Entwicklung und das Eigentum überlässt man der urspünglichen Bahntochter und inzwischen längst global privatisierten Firma Aurelis.

Die Planungshoheit hat die Stadt und könnte durchaus selbstbewusst eine Bauleitplanung und deren Ziele in die Hand nehmen. Tut sie aber nicht, weil bekanntlich gespart werden muss und der Personalmangel in der Verwaltung eher zu einer Reduzierung der städtischen Bauleitplanung und vor allem der damit gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung führt. Für den Kohlenhof hat die Stadt im Jahr 2006 eine Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gefasst und dem lag ein Rahmenkonzept zugrunde, das tatsächlich eine große Grünfläche zum angrenzenden Gostenhof-Ost hatte. Ein Stadtteil, der nachgewiesen unter erheblichen Mangel an Grünflächen leidet, genauso, wie die ganze Südstadt und St. Leonhard, die sich südlich der Bahntrasse an das Kohlenhof-Gelände anschließen.

Seit dieser Zeit wurde kräftig im Hintergrund geplant, eine Beteiligung der Öffentlichkeit gab es nicht mehr. Aus ursprünglich fünfgeschossigen Gebäuden sind inzwischen Visionen für Hochhäuser entstanden und eine noch höhere Verdichtung von gewerblichen Büroflächen. Klar, der Park musste dafür schon mal weichen. Übrig geblieben ist ein kleine Grünfläche auf einer Tiefgarage des Hochhauses.

Aber nun brauchen wir all diese Flächen nicht mehr, wie uns es längst die Spatzen vom Dach pfeifen. Können wir nun nicht endlich die lang versäumten Ziele der durchmischen Stadt angehen? Am besten gleich mit dem neuen Trend zur Schwammstadt kombinieren und an diesem zentralen Standort ein wirklich innovatives Stadtquartier entwickeln, mit Wohnen und Co-working in den Häusern gemischt? Dazu Freizeiteinrichtungen, für das Fitness zwischendurch beim langweiligen Bürojob und gleich noch ein Erlebniseinkauf dazu, bei dem man sich gerne mit den Nachbarn zu einem Kaffeetscherl trifft. Mit Nachbarn aus verschiedenen sozialen Schichten, denn bezahlbarer Wohnraum, ohne Auto wäre in unmittelbarer Nähe zur Altstadt sicher für alle Schichten begehrt, vor allem wenn noch der ursprünglich geplante große Park für gutes Klima sorgt. Die geplante Stadtsanierung Galgenhof, Tafelhof gleich mit einbeziehen und schon entsteht eine echte Stadtvision mittendrin!

Ach ja und nebenbei ist dann auch der „leistungsfähige Zubringer“ vom FSW bis zur Steinbühlstraße zu beerdigen und aufwändige Lärmschutzwände, die das Quartier teilen, wären obsolet. Platz wäre dann genug. Wo bleibt der Mut? Andere Großstädte haben es längst vorgemacht.

Zwischen Parkhaus und DATEV-Gebäude blickt man die Sophie-Germain-Straße entlang nach Osten; Straße, Gebäudevorplatz, Parkflächen, aber keine Menschen weit und breit.
Kohlegraue Zukunft und gähnende Leere am Wochenende
Blick auf das Parkhaus am Kohlenhof von der S-Bahn aus. Der graue Metall-Gitterbau verdeckt die dahinterliegenden Bürobauten. Das Parkhaus wirkt provisorisch und lieblos, die Fassade der Parketagen ist semi transparent, mit grauen Streifenblechen gestaltet, keine Begrünung.
Graue, unbegrünte Kohlenhof-Tristesse auch für Bahnkunden