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BauLust-Positionen 2014

Zum Umgang mit der Zeppelintribüne und dem Reichsparteitagsgelände

Der Bildungsarbeit den Vorrang geben

Die Kultur der Erinnerung gerät in eine Schieflage, wenn vorrangig bautechnische Fragen diskutiert werden. Für eine kritische Bildungsarbeit spielt der bauliche Zustand der Zeppelintribüne eine untergeordnete Rolle. Die Wiederauf richtung der Steine ist nicht das Fundament für eine aktive Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Ganz im Gegenteil droht sie den Blick zu verbauen.

Nur ein Diskurs, der offen für vielfältige Standpunkte und Perspektiven bleibt und unterschiedliche Herangehensweisen erlaubt, wird dem Thema gerecht werden. Hierzu soll ein Forum ins Leben gerufen werden, welches die erfolgreiche Arbeit des Dokumentationszentrums dauerhaft ergänzt und fortführt.

Zu künstlerischer Auseinandersetzung mit dem NS-Erbe einladen

Als Teil einer breiten und andauernden Auseinandersetzung mit dem Gelände der Reichsparteitage sollen in regelmäßigen Abständen Künstlerinnen und Künstler eingeladen werden, sich mit dem Gelände und seinen Ruinen zu beschäftigen. Dazu werden wechselnde internationale Kuratoren bestellt, die im Vorfeld entsprechende Wettbewerbe organisieren.

Ein Park für alle

Eine Sanierung der Zeppelintribüne, die bezüglich Aufwand und Wirkung einem Wiederaufbau gleichkommt, dient vor allem kommerziellen Zwecken und Großereignissen wie dem „Norisringrennen“ oder „Rock im Park“.

Demgegenüber steht die alltägliche, vielseitige Nutzung des Volkspark  Dutzendteich als Erholungs- und Freizeitgelände, die in ihrer oft zufälligen, manchmal auch chaotischen Ausformung fortbestehen sollte. Der Volkspark mit den Hinterlassenschaften des Reichsparteitagsgeländes ist ein selten vielfältiger, in seiner gegenwärtigen Gestalt im besten Sinne „metropolitaner“ Park.

Ein Gesamtkonzept entwickeln

In den vergangenen zehn Jahren ist auf dem Reichsparteitagsgelände nichts geschehen, was einen langfristigen Plan für dessen Erhaltung oder Nutzung erkennen ließe. Stattdessen nimmt die allgemeine Verwahrlosung des Geländes vor allem im Bereich des Zeppelinfeldes zu.

Die Große Straße wurde zugunsten der Messe für den Durchgangsverkehr und als Parkplatz instand gesetzt, die Zeppelintribüne ist in besorgniserregendem Zustand, die ganzjährigen Sekundärbauten des Norisringrennens beeinträchtigen den Eindruck des Zeppelinfeldes, die Kongresshalle zeigt Spuren fortschreitenden Verfalls (Westfassade), die Vegetation auf dem Gelände entwickelt sich unkontrolliert.

Im Silberbuck liegt ein Großteil des mittelalterlichen Nürnberg, quasi direkt neben den Zeugnissen der Zerstörer. Dies bewusst zu machen, hat man sich bisher nicht bemüht. Im mit Kampfmitteln und Gift verseuchten Silbersee sind seit Kriegsende 58 Menschen umgekommen. Eine Sanierung wurde bisher nicht versucht; es gibt lediglich Verbotsschilder mit Totenkopf.

Auch ob weitere Sportbauten nahe dem Zeppelinfeld errichtet werden sollen, muss eingehend diskutiert werden, zumal westlich der Arena noch eine Fläche für eine zusätzliche Sporthalle vorgesehen ist.

Ein Gesamtkonzept, wie man mit diesen einzelnen Elementen in Zukunft umgehen will, ist dringend notwendig, gerade wenn die Erhaltung bzw. Nutzung des Geländes sichergestellt werden soll. Dazu gehören auch die Elemente am Rande des Reichsparteitagsgeländes, wie das Trafohaus an der Regensburger Straße, der Bahnhof Märzfeld, der Bahnhof Dutzendteich, der Luitpoldhain, die Siedlungshäuser und die Unterkunfts- und Bauleiterhäuser an der Regensburger Straße.

Erhalten, (General)Instandsetzen, Wiederaufbauen

Der mit diesen Begrifflichkeiten verbundene Umfang der baulichen Maßnahmen ist nicht klar definiert. In der Diskussion um den weiteren Umgang mit der Zeppelintribüne werden diese teilweise irreführend und je nach Intention willkürlich eingesetzt.

Nur eine im bautechnischen Sinn klare Beschreibung der geplanten Baumaßnahmen im Rahmen eines seit Jahren geforderten Gesamtkonzepts für das Reichsparteitagsgelände bildet eine ernsthafte Grundlage für eine öffentliche Auseinandersetzung und Diskussion.

Für nachfolgende Generationen bauen

In den Positionen zum Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, die von der BauLust in den Jahren 2002 bis 2004 formuliert wurden, heißt es, dass nachfolgenden Generationen eine jeweils eigene Auseinandersetzung mit dem Gelände möglich sein muss.

Mit Blick auf bauliche Instandsetzungsmaßnahmen bestehender Bauten (wie der Großen Straße, der Kongresshalle und der Zeppelintribüne) oder mögliche Neubauten (etwa der Ergänzung und Erweiterung des Informationssystems) muss diese Forderung eingegrenzt werden. Bauvorhaben dieser Art planen – in bautechnischer wie finanzieller Hinsicht – eine Lebensdauer von mehreren Generationen ein.

Nürnbergs Sehenswürdigkeiten

„Nürnberg – Stadt der Reichsparteitage“. So lautete der offizielle Titel der Stadt während der Zeit des Nationalsozialismus. Für die Identität Nürnbergs war dies einst ähnlich wichtig wie der  Christkindlesmarkt.

Nach den Zeiten der Verdrängung und der langsam beginnenden Aufarbeitung der NS-Vergangenheit scheint nun eine Ära des offensiven Umgangs angebrochen zu sein. Sucht man heute auf der Homepage der Nürnberger Tourismuszentrale Informationen zum Christkindlesmarkt findet man auch ein knuffiges Ikon, welches die monströse Bauruine der Kongresshalle darstellen soll. Einen Klick weiter öffnet sich unter der Rubrik „Verpflichtende Vergangenheit“ ein idyllisches Foto der Kongresshalle am Dutzendteich, hinter romantischen Bäumen und Schilf.

Stolz verweist die Stadt Nürnberg auf die jährlich steigende Zahl der Besucher des Dokumentationszentrums und des Reichsparteitagsgeländes. Auch der Rest der Zeppelintribüne scheint heute wieder zu einem „unique selling point“ geworden zu sein, der für Touristen attraktiv dargestellt wird.

Beobachtet man das Verhalten der vorbeifahrenden Bustouristen stellt sich jedoch die Frage, was der Sinn eines touristischen Kurzbesuchs sein kann. Mit der Sanierung der Tribüne besteht zudem die Gefahr einer „Disneyfizierung“ des Geländes.

Aufruf zur Gründung einer Bundesstiftung

Die städteplanerische und architektonische Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus übersteigt sowohl die logistischen als auch die finanziellen Möglichkeiten einer einzelnen Kommune. Deshalb soll das gesamte Gelände der Reichsparteitage in Nürnberg einschließlich aller bekannten (und evtl. noch unbekannten) Bodendenkmale in Zukunft von einer Bundesstiftung betreut und verwaltet werden.

Dieser Stiftung soll ein Beirat zugeordnet werden, der sich um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit kümmert. Seine Aufgabe muss es sein, alle Facetten des Umgangs mit dieser Vergangenheit und ihrem architektonischen Erbe zu diskutieren. Er setzt sich aus hochrangigen Vertretern relevanter Fakultäten zusammen und ist international besetzt.

Diese Stiftung soll jährlich international besetzte Diskussionsforen zum Umgang mit dem Gelände veranstalten, die Diskussions- und Forschungsergebnisse dokumentieren und in die Stiftungsarbeit integrieren.